ITIL 4 - Wertschöpfung im Service-Management

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ITIL 4 - Wertschöpfung im Service-Management

Die Veröffentlichungen zur ITIL 4 sind im Februar 2019 mit der ITIL-4-Foundation-Publikation gestartet. Weitere Veröffentlichungen folgen in den kommenden Monaten. In unserem Beitrag erfahren Sie, wie die Anforderungen aus ITIL 4 dazu beitragen, insbesondere die Wertschöpfung durch IT-Leistungen zu steigern.

Kurs ITIL 4

Die digitale Transformation hat die IT in Zugzwang gebracht, sich stärker am Business auszurichten und mehr denn je in gemeinsamer Zusammenarbeit mit der Kundenseite zu agieren. Auf diesen Veränderungsdruck geht ITIL 4 ein, indem sie die Wertschöpfung von Services in den Fokus rückt. Nicht nur Unternehmen der Industrie und anderer Branchen müssen ihre Produkte und Fähigkeiten hinterfragen und die Chancen der Digitalisierung nutzen. Auch die IT ist gefragt, ihre Kunden auf diesem Weg mit den dazu gehörenden Anpassungen zu unterstützen.

ITIL 4, als ITIL 4 Edition bezeichnet, ist ein Update der bisherigen Version ITIL V3 von 2011. Die neue Version des Best-Practice-Frameworks für das IT-Service-Management (ITSM) enthält unter anderem Erweiterungen zum Service-Verständnis und Anpassungen grundlegender Modelle. Zu den neuen Modellen und Inhalten von ITIL 4 zählen das Vier-Dimensionen-Modell und das ITIL-Service-Wertsystem (Service Value System). Dieses beinhaltet die ITIL Service Value Chain (Wertschöpfungskette), die ITIL Practices und die ITIL-Grundprinzipien. Governance und kontinuierliche Verbesserung sind auch in der neuen Edition nach wie vor Kernbestandteile und ebenfalls im Service-Wertsystem enthalten.

Wertschöpfung gemeinsam mit dem Kunden erzeugen

Im Unterschied zur vorherigen Version ist in ITIL 4 der Wertschöpfungsgedanke durch den Begriff „Value Co-Creation“ geprägt, also die gemeinsame Wertschöpfung zwischen Service-Provider und Service-Konsument (siehe Abbildung 1). Die Value Co-Creation ersetzt die einseitige Mehrwertbereitstellung durch den Service-Provider in Richtung Kunde und spiegelt auch eine der wichtigsten Änderungen von ITIL 4 wieder: die Definition des Service-Begriffs. Nach ITIL 4 ist ein Service ein Mittel, um die aktive gemeinsame Wertschöpfung zu ermöglichen, indem er die Ergebnisse fördert bzw. unterstützt, die Kunden erreichen wollen, ohne dass der Kunde spezifische Kosten und Risiken trägt. Der Produktbegriff wurde in ITIL 4 explizit aufgenommen: Ein Produkt stellt eine Zusammenstellung der Ressourcen einer Organisation dar, das erstellt oder zusammengestellt wird und potenziell nützlich für die Kunden dieser Organisation sein wird. Produkte können komplex sein und sind für den Kunden vielfach nicht sichtbar.

Abbildung 1: Mehrwert durch Co-Creation in der aktiven Zusammenarbeit von Service-Provider und Service-Abnehmer Abbildung 1: Mehrwert durch Co-Creation in der aktiven Zusammenarbeit von Service-Provider und Service-Abnehmer

Service-Beziehungen beinhalten Service-Bereitstellung und -Verbrauch sowie das Service Relationship Management. Letzteres beschreibt die miteinander in Verbindung stehenden Aktivitäten, die durch einen Service-Provider und einen Service-Konsumenten ausgeführt werden, um eine kontinuierliche Co-Creation von Mehrwert basierend auf abgestimmten und verfügbaren Serviceangeboten zu erreichen (siehe Abbildung 2).

Abbildung. 2: Die Abbildung zeigt, wie Services und Produkte zusammenhängen, sodass das daraus entstehende Service-Angebot einen Mehrwert für den Kunden schafft. Abbildung. 2: Die Abbildung zeigt, wie Services und Produkte zusammenhängen, sodass das daraus entstehende Service-Angebot einen Mehrwert für den Kunden schafft. Abbildung. 2: Die Abbildung zeigt, wie Services und Produkte zusammenhängen, sodass das daraus entstehende Service-Angebot einen Mehrwert für den Kunden schafft.

Diese Stelle ist in der Zusammenarbeit zwischen Service-Provider und Kunde von zentraler Bedeutung. Hier geht es zum einen darum, dass der Service-Provider versteht, was ein Kunde benötigt und inwiefern ihn die IT im Rahmen seiner digitalen Transformation und der eigenen Wertschöpfung unterstützen muss, um einen gemeinsamen Mehrwert zu schaffen. Hier sollte die IT als strategischer Partner und wertvoller Unterstützer mit dem Business die Zusammenarbeit gestalten. Noch ist dies für viele IT-Organisationen allerdings eine große Herausforderung. Die IT muss den Kunden sowie seine Geschäftsprozesse, seine (digitale) Strategie und Herausforderungen (auch im Sinne von „pain points“) verstehen. Darüber hinaus muss die IT in der Lage sein, das eigene Portfolio zuverlässig zu steuern und anzubieten und sich bereits als verlässlicher Partner etabliert haben.

Zum anderen wird hier die veränderte Erwartungshaltung an die IT-Organisation im Zeitalter des digitalen Wandels und die Chance für die IT deutlich. Diesen Aspekt hat ITIL 4 aufgegriffen und stellt die Wertschöpfung durch Services und Produkte deutlich stärker heraus als in den vorhergehenden Versionen. Services und Produkte müssen einen Mehrwert erbringen und zur Wertschöpfung des Kunden beitragen. Die sogenannte Service Value Chain (Wertschöpfungskette), die diesen Grundgedanken abbildet, ist ein zentrales Modell der ITIL 4 Edition und löst die Darstellung des Service-Lebenszyklus ab (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Die Elemente des Vier-Dimensionen-Modells nehmen Einfluss auf das Service Value System, die als ein Bestandteil die Service Value Chain enthält. Abbildung 3: Die Elemente des Vier-Dimensionen-Modells nehmen Einfluss auf das Service Value System, die als ein Bestandteil die Service Value Chain enthält. Abbildung 3: Die Elemente des Vier-Dimensionen-Modells nehmen Einfluss auf das Service Value System, die als ein Bestandteil die Service Value Chain enthält.

Der Abschied vom starren Lebenszyklus

Ein häufiger Kritikpunkt an ITIL V3 war der Lebenszyklus mit seinen Phasen, der die Basis für die Aufteilung in die fünf Kernpublikationen der ITIL V3 war. Darin waren Rollen, Prozesse und Funktionen recht starr für das jeweilige ITIL-Buch und die jeweilige Phase zugeordnet. Dadurch entstand latent der Eindruck, dass Incident Management beispielsweise nur in der Phase Service-Betrieb (Service Operations) aktiv ist.

Nicht explizit beschrieben wurde etwa, dass Incident Management auch schon beim Design eines neuen Services oder Produkts zum Tragen kommt. Dazu zählen beispielsweise neue Abläufe als Ausprägungen im Incident Management (Einbindung neuer Support-Gruppen) oder (weitere) Tool-seitige Anpassungen wie neue Kategorien, neue Gruppen oder neue bzw. angepasste Eskalationsstufen sowie die Berücksichtigung im Self-Service-Portal für die Anwender. Und auch bei der Betriebseinführung (Service Transition) oder der kontinuierlichen Verbesserung ist das Incident Management beteiligt.

Die Lebenszyklus-Struktur der ITIL V3 beschreibt eher eine sequenzielle Vorgehensweise, die in der Praxis in dieser strikten Ausprägung nicht gelebt wird. Zudem erschwert dies auch eine agile Service- oder Produkt-Entwicklung.

Der Beitrag von Services und Produkten zur Wertschöpfung

Mit dem Service Value System hat daher in ITIL 4 ein neues, zentrales Modell Einzug gehalten. Das Service Value System ist ein Schlüsselelement von ITIL 4. Alle Bemühungen eines Service-Providers sollten darauf ausgerichtet sein, aus einer Anforderung eines Kunden oder einer neuen Möglichkeit am Markt einen Service oder ein Produkt zu entwickeln, das einen Wert für den Kunden erbringt. Es reicht nicht aus, ein paar wenige Prozesse zu dokumentieren oder Services zu beschreiben, die vielfach nur die technische Sicht wiederspiegeln. Der Ansatz muss ganzheitlich und wertorientiert sein.

Diese Forderung haben in den vergangenen Jahren bereits andere Veröffentlichungen zum IT-Service-Management aufgegriffen. So beschreibt Ian M. Clayton beispielsweise im Universal Service Management Body of Knowledge (USM) bereits 2012, wie wichtig in einer dienstleistungsorientierten Gesellschaft die Erwartungen, die Erfahrungen, die Interaktion und die emotionalen Aspekte zwischen Service-Provider und Service-Nutzer sind. Zudem besteht die Forderung, dass sich die IT-Organisation nicht mehr nur mit sich selbst und Verbesserungen der Prozesse und anderen innerbetrieblichen Themen befasst, um effektiver und effizienter zu werden (inside-out).

Ähnlich wie es sich agile Ansätze auf die Fahnen geschrieben haben, wäre es besser, den Fokus auf den Kunden und seine Unterstützungsbedarfe zu legen und sich auf die Kundenorientierung bzw. -zentrierung zu konzentrieren. Wichtig ist die Frage, was entscheidend für die Kundenzufriedenheit ist und bei welchen Schwierigkeiten der Kunde Unterstützung braucht.

Ähnliche Forderungen stellt Rob England in seinem Basic Service Management (BSM) aus dem Jahre 2011, das auch bereits damals eine „outside-in“-Sicht ausgehend von der Kundenperspektive beschreibt. Zudem geht es auch hier darum, die konkreten Herausforderungen und Bedürfnisse zu adressieren („pain and gain“) und nicht darum, IT-Service-Management zum Selbstzweck umzusetzen. England beschreibt, dass die Veränderung als Transformation zu verstehen ist, die einem realistischen Plan folgt.

Fazit

ITIL 4 hat viele Aspekte der Wert- und Kundenorientierung aufgegriffen. Dies wird vor allem in einem der Leitprinzipien, der Wertorientierung, sichtbar: „Alles, was eine Organisation tut, muss direkt oder indirekt der eigenen Wertschöpfung, der Wertschöpfung ihrer Kunden und anderen Stakeholdern dienen.“ Auch ITIL 4 betont, wie wichtig es ist, dass der Service-Provider den Kunden, seine Geschäftsprozesse und Ziele kennt. Nur auf dieser Ebene kann eine gemeinsame Wertschöpfung entstehen. In ITIL 4 werden auch die Erfahrungen der Kunden und Anwender mit dem Service-Provider berücksichtigt. Kundenbindung, Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität sind eng miteinander verknüpft.

Die Service-Value-Chain-Aktivitäten kennzeichnen die Aktivitäten, die eine Organisation unternimmt, um einen Mehrwert aus der Interaktion mit dem Kunden und den Anwendern zu generieren. Die verschiedenen ITIL Practices wie ein Incident Management oder Service Level Management sind in unterschiedlich starkem Maße an den Aktivitäten beteiligt.

Die gesamte Organisation mit allen Mitarbeitern trägt zur Generierung von Mehrwert für den Kunden über die Service-Erbringung bei. Dies gilt auch für Betriebsaktivitäten. Die Erzeugung von Mehrwert obliegt nicht nur denen, die an Projekten beteiligt sind oder neue Themen einführen.